»Erhebt Euch -Tod den Pigs!« (2024)

Virginia wollte genau wissen, wie es abgelaufen war. Susan tat ihr den Gefallen:

Bevor sie die Ranch verließen, hatte Charlie ihnen Anweisungen gegeben. Sie trugen dunkle Kleider. Außerdem nahmen sie Kleider zum Wechseln im Auto mit.

Virginia unterbrach: »Dann warst du nicht alleine?«

»Nein, nein«, sagte Susan. »Wir waren vier.« Außer ihr waren noch zwei Mädchen und ein Mann dabei. Susan fuhr fort: Als sie am Tor waren, habe »er« die Telephondrähte zerschnitten. Zuerst hätten sie den jungen Burschen umgebracht. Als Virginia fragte warum, erwiderte Susan, der Bursche habe sie gesehen. »Und er mußte ihn erschießen. Viermal wurde er getroffen.«

Sie kamen in das Haus, da sahen sie auf der Couch im Wohnzimmer einen Mann. Auf einem Stuhl saß ein Mädchen und las ein Buch, Susan identifizierte sie als »Ann Folger«. Sie sah nicht auf. Virginia fragte, woher Susan die Namen wußte.

»Wußten wir nicht«, antwortete Susan, »nicht vor dem nächsten Tag.« Susan ging ins Schlafzimmer weiter, während die anderen im Wohnzimmer blieben. Susan: »Sharon saß im Bett. Jay (Sebring) saß auf der Bettkante und sprach mit Sharon.«

»Ach?« fragte Virginia. »Was hatte sie an?«

»Sie hatte einen Bikini-BH und Höschen an.«

»Mach Witze. Und war sie schwanger?«

»Ja. Und sie guckten auf, und die waren vielleicht überrascht!«

»Mann! Gab"s einen richtigen Kampf?«

»Nein, die waren zu überrascht und wußten, daß wir es ernst meinten.«

Susan schweifte ab. Plötzlich waren sie im Wohnzimmer, und Sharon und Jay waren gefesselt, mit Schlingen um den Hals. Wollten sie sich bewegen, mußten sie sich erwürgen. Virginia fragte, warum sie Sebring eine Kapuze über den Kopf gezogen hatten.

»Wir haben keine Kapuze über seinen Kopf gezogen«, berichtigte Susan.

»Das stand aber in den Zeitungen, Susan.«

»Na gut, aber es gab keine Kapuze«, wiederholte Susan und blieb hartnäckig dabei.

Dann drehte der andere Mann (Frykowski) durch und rannte zur Tür. »Er war ganz voll Blut«, erzählte Susan, und sie stach drei- oder viermal auf ihn ein. »Er blutete, und er rannte nach vorn«, zur Tür hinaus und auf den Rasen, »und kannst du dir vorstellen, daß er brüllte: »Hilfe, Hilfe, bitte helft mir doch«, und keiner kam?« Einfach, ohne jede Ausschmückung: »Dann machten wir ihn fertig.«

Virginia stellte keine Fragen mehr. Was als Märchen eines kleinen Mädchens angefangen hatte, war zu einem entsetzlichen Alptraum geworden. »Sharon starb als letzte.« Susan lachte, als sie das sagte.

Susan berichtete, daß sie Sharon die Arme auf den Rücken hielt und Sharon weinte und bettelte: »Bitte bringt mich nicht um. Bitte bringt mich nicht um. Ich will nicht sterben. Ich will leben. Ich will mein Baby kriegen. Ich will mein Baby kriegen.«

Susan sah Sharon in die Augen und sagte: »Siehst du, Nutte, das interessiert mich nicht. Mich interessiert nicht, ob du ein Baby kriegst. Du solltest dich damit abfinden. Du stirbst jetzt, und mir macht das überhaupt nichts aus.«

Susan: »In ein paar Minuten brachte ich sie um, und sie war tot.« Dann merkte Susan, daß Blut an ihrer Hand war. Sie schmeckte es. »Wow, was für ein Trip!« erzählte sie Virginia. »Ich dachte, »den Tod schmecken, und er gibt einem trotzdem Leben.« Sie fragte Virginia, ob sie schon einmal Blut geschmeckt habe: »Es ist warm, klebrig und schön.«

Virginia konnte eine Frage anbringen. Ob Susan nicht davor zurückgeschreckt sei, die schwangere Sharon Tate zu töten? Susan sah Virginia spöttisch an und sagte: »Ja, ich dachte, du hättest verstanden. Ich liebte sie, und als ich sie töten mußte, hab« ich auch ein Stück von mir umgebracht.«

Sie hätte gern das Baby herausgeschnitten, erzählte Susan, aber die Zeit sei zu knapp gewesen. Sie wollten die Augen der Leute rausholen und sie an den Wänden zerquetschen und ihre Finger abschneiden. »Wir fingen an, Glieder abzuhauen, aber wir kamen nicht weit damit.«

Virginia fragte, wie sie sich nach den Morden gefühlt habe. Susan: »Ich fühlte mich so freudig erregt; müde, aber im Frieden mit mir selbst. Ich wußte, daß dies der Anfang vom großen Drunter-und- Drüber war. Jetzt würde die Welt aufhorchen.«

Soweit Virginia begriffen hatte, schienen sie nach dem Verlassen des Tate-Anwesens im Wagen die Kleider gewechselt zu haben. Dann waren sie ein Stück gefahren und hatten an einer Stelle gehalten, um sich die Hände zu waschen.

Einen Augenblick blieb Susan still. Dann fragte sie mit ihrem Kinderlächeln: »Du kennst die anderen beiden vom nächsten Abend?« Virginia fielen sofort die LaBiancas ein. »Ja«, sagte sie, »wart ihr das?«

Susan zwinkerte und sagte: »Was meinst du! Aber das ist ein Teil von dem Plan. Und es geht noch weiter ...«

Aber Virginia hatte für heute genug gehört. Sie entschloß sich, niemandem etwas zu sagen. Es war einfach zu unwahrscheinlich. Außerdem nahm sie sich vor, Susan möglichst aus dem Weg zu gehen. Dann konnte sie es aber nicht mehr länger für sich behalten. Es war einfach zuviel. Sie erzählte ihrer Kollegin Ronnie Howard, was Susan Atkins gesagt hatte.

Ronnie meinte, Susan habe »das alles erfunden. Das kann sie aus den Zeitungen haben«. Man müsse ihr weitere Fragen stellen, um zu sehen, ob sie etwas wußte, was nur die Mörder wissen konnten.

Eines Nachmittags kam Susan herüber und setzte sich auf Virginias Bett. Virginia blätterte gerade in einem Filmmagazin. Susan sah es und fing an zu erzählen. Ihre Geschichte war noch bizarrer als das, was sie schon früher geschildert hatte. Es war so unwahrscheinlich, daß Virginia es ihrer Kollegin Ronnie Howard gegenüber nicht einmal erwähnte. Das glaubt niemand, fand sie. Denn mit einem Wortschwall nannte Susan ihr eine »Todesliste« von Personen, die demnächst ermordet werden würden. Alles bekannte Persönlichkeiten. Dann beschrieb sie -- so Virginia -- mit schauerlichen Details genau, wie Elizabeth Taylor, Richard Burton, Tom Jones, Steve McQueen und Frank Sinatra sterben sollten.

Am 12. November erhielt Virginia Graham die Nachricht, sie solle ins Frauen-Gefängnis verlegt werden, um den Rest ihrer Strafe zu verbüßen. Am Nachmittag kam Ronnie zu ihr und fragte: »Was meinst du?«

»Weiß nicht«, antwortete Virginia. »Ronnie, wenn du es herumtratschen willst ...

»Ich hab« mich jeden Abend mit dem Mädchen unterhalten«, sagte Ronnie. »Mann, die ist wirklich unheimlich. Weißt du, es könnte stimmen.« Virginia hatte vergessen, Susan nach dem Wort »Pig« (Schwein) zu fragen, das auf die Tür des Tate-Anwesens geschrieben worden war. Sie schlug vor, Ronnie solle Susan danach fragen. Bis dahin sollte niemand etwas verraten.

Am gleichen Tag erhielten die LaBianca-Beamten den Anruf einer Polizeistation. Ob sie noch immer interessiert seien, mit einem Straight Satan zu sprechen? Sie hauen einen der Motorrad-Rocker zur Verfügung, einen Mann namens Al Springer.

Springer wurde den LaBianca-Detektiven überstellt, die seine Vernehmung auf Tonband aufnahmen. Was er ihnen erzählte, war so überraschend, daß sie es kaum glauben mochten. Springers Aussage: Am 11. oder 12. August, zwei oder drei Tage nach den Tate-Morden, habe ihm Manson das Töten von Leuten gestanden.

Springer: »Tja, da kommt doch dieser Charlie herein, Er wollte meinen Kumpel Danny dabehalten, weil Danny sein Abzeichen auf dem Rücken hatte, und all diese Besoffenen, die kommen immer rauf und fangen an, die Mädchen zu belästigen und sich mit den Jungs anzulegen, und Danny geht mit seinem Abzeichen von den Straight Satans raus, und keiner legt sich mit Charlie an, verstehen Sie?

»Ich hab« also versucht, Danny rumzukriegen, daß er zu den Straight Satans zurückkommt, und Charlie steht da und sagt: »Na, warte doch mal, ich kann dir vielleicht was Besseres vorschlagen, als du bis jetzt gemacht hast. Ich sage: »Was denn?«

»Er sagt: »Komm hier rauf, du kannst alle Mädchen haben, die du willst, alle Mädchen«, sagt er, »alle für dich, zu deiner Verfügung, alles. Und er ist ein Typ, der einen rumkriegt. Ich sage also: »Hm, wie überlebst du das, wie befriedigst du diese zwanzig, dreißig Weiber, Mensch?«

»Und er sagt: »Die hab« ich soweit, die springen alle für mich. Er sagt: »Nachts zieh ich los und dreh« meine Dinger.

»,Also«, sag« ich, »was für Dinger drehst du, spul mal 'n bißchen ab. Er beschreibt mir einen Motorradfahrer« und der hätte alles zu machen, einschließlich Mord. So fängt er an, mir die Ohren vollzublasen und erzählt, wie er loszieht und bei den reichen Leuten lebt, und er nennt die Polizei »Schweine und wer weiß was; er klopft an die Tür und dann machen sie auf, und er wird mit seinem Dolch einfach reinfahren und sie aufschlitzen, verstehen Sie?« Frage: »Das hat er dir erzählt?« Antwort: »Das hat er mir erzählt. wörtlich, ins Gesicht.«

Frage: »Du machst Witze, hast du das wirklich gehört?«

Antwort: »Ja. Ich sagte: »Wann hast du das zum letztenmal gemacht?« Er sagt: »Also fünf haben wir umgelegt, ja. gerade gestern.«

Frage: »Er hat dir erzählt, Charlie hat gesagt, daß er fünf Leute umgelegt hat?«

Antwort: »Genau. Charlie und Tex.« Wann genau hatte Manson ihm das erzählt? Als er zum erstenmal auf der Spahn-Ranch gewesen war. Das war entweder am ii. oder 12. August -- er konnte sich nicht erinnern« an welchem von beiden Tagen. Aber an die Szenerie erinnerte er sich genau: »Ich habe so was in meinem Leben noch nie gesehen. Ich war noch nie in einer Nudistenkolonie und hab« noch nie richtig Beklappte frei rumlaufen gesehen.«

Überall, wo er hinguckte, gab es nackte Mädchen. Vielleicht anderthalb Dutzend waren älter, achtzehn oder mehr; aber genausoviel waren jünger. Die jungen Mädchen versteckten sich in den Büschen. Charlie hatte ihm gesagt, er könne sich bedienen.

Daß Springer der Versuchung widerstand, lag vielleicht teilweise daran. daß andere Mitglieder seiner Gang schon bei früheren Gelegenheiten dagewesen waren: »Alle wurden krank und kriegten den Tripper. Die Farm war einfach völlig verwahrlost.«

Bei Springers erstem Besuch hatte Manson ihm seine Meisterschaft im Umgang mit Messern vorgeführt; Springer hatte gesehen, wie Charlie ein langes Wurfmesser etwa 15 Meter weit warf -- acht- von zehnmal stak es. Das war das Messer, das Charlie benutzte, wenn er »Leute kleinhackte« -- meinte Springer.

»Haben Sie mal eine Leiche gefunden« bei der das Ohr abgeschnitten war?« fragte Springer unvermittelt. Offenbar nickte einer der Kriminalbeamten, denn Springer sagte: »Ja, das ist euer Mann.« Charlie hatte ihm erzählt, daß er irgendeinem Typ das Ohr abgeschnitten habe.

Springer hatte auch zwei andere Burschen namens Tex und Clem erwähnt. Die Vernehmer verlangten eine Beschreibung. Clem sei ein amtlich anerkannter Idiot. sagte Springer; er sei aus der staatlichen Heilanstalt Camarillo entflohen. Was Charlie auch immer sage, Clem werde es wie ein Papagei nachplappern. Soweit er beurteilen könne, seien »Charlie und Tex da draußen die beiden mit Köpfchen«.

Ob Springer das Wurfmesser beschreiben könne? Ja, es war ein Entermesser, ein richtiges Piratenmesser. Von Danny hatte er gehört, das Messer sei benutzt worden, als sie einen Typ umlegten, »ich glaube, Henland hieß der«. Das war der Mann, dem das Ohr abgeschnitten worden war. Auf der Spahn-Ranch ein Schrank voller Waffen.

Was er über den »Henland«-Mord wisse« fragten die Beamten. Laut Danny hätten einer, der »Bausley« hieß, und noch ein anderer ihn umgelegt, meinte Springer. Danny hatte ihm gesagt, er könne fast hundertprozentig beweisen, daß Bausley ihn umgebracht habe und Charlie offensichtlich irgendwie mit verwickelt sei. Na egal, irgend jemand schnitt jedenfalls sein Ohr ab.

Clem hatte ihm, Springer, auch erzählt, wie sie »irgendeinem beschissenen Idioten das Ohr abgeschnitten hatten und an die Wand geschrieben und da eine Pantherpfote oder Klaue aufgemalt hatten, um die Panther reinzulegen. Alles, was sie machten, schoben sie auf die nigg*r. klar. Sie hassen die nigg*r, weil sie vorher einen nigg*r umgelegt haben«.

Fünf Tote. Plus »Henland« (Hinman). Plus »ein nigg*r«. Zahl der Morde bis jetzt: sieben.

Hatte er noch andere Waffen auf der Spahn-Ranch gesehen? Ja, Charlie hatte ihm einen ganzen vollen Waffenschrank gezeigt, als er zum erstenmal da war: »Und ich hab« gehört, sie hatten eine neunschüssige langläufige 22-Buntline. Das weiß ich von Danny, und der kennt jeden Ballermann. Und mit der Buntline wurde wahrscheinlich auch der, äh, Schwarze Panther umgelegt.«

Springer fiel etwas ein: »Übrigens, habt ihr irgendwo einen beschmierten Kühlschrank gefunden?«

Es war plötzlich still. Dann fragte einer der Beamten: »Wie kommst du darauf?«

Antwort: »Weil er mir erzählte, daß er irgendwas auf den Kühlschrank geschmiert hat.«

Frage: »Wer sagte, daß er auf den Kühlschrank schrieb?«

Antwort: »Charlie sagte, sie schrieben irgendwas auf den beschissenen Kühlschrank, mit Blut.«

Frage: »Hat er gesagt, was er schrieb?«

Antwort: »Irgendwas mit Schweinen oder nigg*rn oder irgend so was.« »Erinnerst du dich an den Mann mit der Gabel im Bauch?«

Sagte Springer die Wahrheit, und hatte Manson nicht nur angegeben. dann bedeutete dies, daß Manson wahrscheinlich auch in die LaBianca-Morde verwickelt war. Obwohl AI Springer offenbar die Wahrheit sagte, hielten die Detektive seine Geschichte für so wenig wahrscheinlich -- immerhin war Springer nie Mitglied der Manson-Familie gewesen, mithin ein Außenseiter -, daß sie Teile seines Geständnisses später wieder vergaßen.

Dennoch war das Springer-Verhör vom 12. November 1969 ein entscheidender Wendepunkt. Drei Monate nach den Tate-Laßianca-Morden erwog die Kripo endlich ernsthaft die Möglichkeit, daß beide Verbrechen irgendwie zusammenhingen. Der Schwerpunkt zumindest der LaBianca-Untersuchung verlagerte sich jetzt auf einen einzigen Kreis von Verdächtigen: Charlie Manson und seine Familie.

In der Zwischenzeit versuchten die Callgirls Ronnie Howard und Virginia Graham jemandem zu erzählen, was sie von den Morden wußten. Und sie hatten kein Glück.

Wie zwischen den beiden Freundinnen besprochen, hatte Ronnie die Atkins gefragt, was es mit dem Wort »Pig« auf sich habe. Susan sagte, sie habe das Wort auf die Tür geschrieben. nachdem sie vorher ein Handtuch In Sharon Tates Blut getaucht hatte.

Plötzlich fragte Susan: »Erinnerst du dich an den Mann, der mit einer Gabel im Bauch gefunden wurde? Wir schrieben »Erhebt euch« (arise) und »Tod den Schweinen« (death to pigs) und »Drunter und drüber« (helter skelter) mit Blut.«

»Warst du das und der gleiche Kreis von Freunden?« wollte Ronnie wissen. »Nein, diesmal nur drei.« »Alles Mädchen?«

»Nein, zwei Mädchen und Charlie.« Susan erzählte viel und begeistert: von Manson (er war beides, Jesus Christus und der Teufel); vom Chaos (Ronnie hatte das zugegebenerweise nicht verstanden, meinte aber, das hieße, »du mußt getötet werden, um zu leben"); von Sex ("Die Welt ist wie ein großer Geschlechtsverkehr -- alles geht rein und raus -, Rauchen, Essen, Messerstechen"): davon, wie sie verrückt spielen würde, um die Psychiater hereinzulegen ("Da brauchst du dich nur ganz normal zu verhalten«, riet ihr Ronnie); über Kinder (Charlie hatte ihr geholfen, ihr Kind zu gebären, das sie Zezozose Zadfrack Glutz genannt hatte; ein paar Monate nach seiner Geburt hatte sie angefangen, fellati* mit ihm zu treiben); von Rockern (mit den Motorrad-Gangs auf ihrer Seite »würden sie wirklich Furcht und Schrecken über die Welt bringen"); und über Mord.

Susan sprach gern über Mord. »Je öfter du es machst, desto schöner ist es.« Schon die Erwähnung schien sie zu erregen. Lachend erzählte sie Ronnie von einem Mann, dessen Kopf »wir abschnitten«, draußen in der Wüste oder in einem der Canyons. Außerdem erzählte sie Ronnie: »Es gibt elf Morde, die sie nie aufklären werden.« Und es würde mehr geben, noch viel mehr.

Auf einmal merkte Ronnie Howard. daß es immer noch Dinge gab, die sie erschrecken konnten. Es bestürzte sie, daß dies junge Mädchen tatsächlich all diese Morde begangen hatte. Und dann Susans Behauptung, dies sei erst der Anfang, weitere Morde würden folgen!

Später erklärte Ronnie Howard: »Ich dachte immer« wenn ich überhaupt nichts sage, werden diese Leute wahrscheinlich freigelassen. Dann werden sie sich andere Häuser aussuchen, ganz zufällig herausgepickt. Ich konnte einfach nicht zulassen, daß all diese unschuldigen Menschen umgebracht werden.«

Wie Gary Hinman ermordet wurde.

Ronnie fand, sie müsse »es einfach der Polizei sagen«. Nun könnte man glauben, daß es relativ einfach ist, einen Polizisten zu sprechen, wenn man im Gefängnis sitzt. Ronnie Howard erfuhr das Gegenteil.

Ronnie erzählte Sergeant Broom, einer der Vorsteherinnen im Untersuchungsgefängnis, daß sie wisse, wer die Tate- und LaBianca-Morde begangen habe; sie bat um die Erlaubnis, die Kripo anrufen zu dürfen. Broom wollte die Bitte an ihren Vorgesetzten, Leutnant Johns, weitergeben.

Nach drei Tagen ergebnislosen Wartens fragte Ronnie bei Sergeant Broom an, was aus ihrem Antrag geworden sei. Leutnant Johns glaube nicht, daß etwas an der Geschichte dran sei, sagte Broom und fügte hinzu, jetzt habe der Leutnant das sicher alles schon wieder vergessen: »Warum machst du das nicht auch. Ronnie?«

Daraufhin fing Ronnie an, buchstäblich zu betteln: Menschen würden sterben, wenn sie die Polizei nicht rechtzeitig warnte. Könne nicht der Sergeant für sie bei der Kripo von Los Angeles anrufen? Doch Broom meinte, das sei gegen die Vorschrift, ein Wächter dürfe für einen Inhaftierten keinen Anruf machen.

Ronnie Howard aber ließ nicht locker, und schließlich unternahm Sergeant Broom einen zweiten Vorstoß bei Leutnant Johns. Der Leutnant schlug vor, sie solle Ronnie nach ein paar Details fragen. Doch Broom übermittelte einen wichtigen Hinweis von Ronnie falsch, worauf der Leutnant die Zeugin für eine Lügnerin erklärte. Ronnie wollte daraufhin selbst mit Leutnant Johns sprechen. Aber Sergeant Broom fand, daß sie den Leutnant nun genügend belästigt habe.

Eine letzte Chance bot sich, als Ronnie Howard am 17. November einen Gerichtstermin in Santa Monica hatte. Wenn Insassen von Sybil Brand vor Gericht vernommen werden, führt man sie zuerst ins Männergefängnis in der Bouchet Street. Von dort bringt sie ein Bus zur zuständigen Kammer. Bis der Bus kommt, dauert es gewöhnlich ein paar Minuten, und in dieser Zwischenzeit darf jedes Mädchen einen Anruf von einem Münzfernsprecher machen. Ronnie mußte sich vor der Telephonzelle anstellen. Als die Pause um war, standen immer noch zwei Mädchen vor ihr. Sie bestach beide mit 50 Cents, damit man sie vorließ.

Ronnie rief das Polizeipräsidium von Beverley Hills an und verlangte einen Beamten von der Mordkommission. Als sie mit einem verbunden wurde, erzählte sie ihm, sie wisse, wer die Tate- und LaBianca-Morde begangen habe. Der Beamte erklärte, diese Fälle wurden von der Abteilung Hollywood der Los-Angeles-Kripo bearbeitet und riet ihr, dort anzurufen.

Ronnie erreichte die Polizeistation von Hollywood und erzählte einem anderen Kriminalbeamten dieselbe Geschichte. Er wollte sofort jemanden herüberschicken, aber sie sagte ihm, den Rest des Tages würde sie im Gericht sein. Dann hängte sie auf, bevor der Beamte sie fragen konnte, in welchem Gericht sie zu tun habe. Kein Beamter kreuzte bei ihr auf.

Am selben Tag meldete sich der Rocker Danny DeCarlo, Mitglied der Straight Satans, im Morddezernat des Polizeipräsidiums von Los Angeles und ließ sich vernehmen. Im Gegensatz zu Al Springer sah Danny DeCarlo wirklich wie ein Rocker aus und sprach und benahm sich so. Er hatte einen gezwirbelten Bart, Tätowierungen auf beiden Armen und an Armen und Beinen Schürfwunden von Stürzen mit dem Motorrad.

Von DeCarlo erfuhren die Detektive jetzt, daß außer Bobby Beausoleil und Susan Atkins drei andere am Hinman-Mord beteiligt gewesen waren: Manson, Mary Brunner und Bruce Davis. DeCarlo wußte das von Beausoleil; der hatte DeCarlo gegenüber mit seiner Tat geprahlt.

Laut Beausoleil sollte die Geschichte so gelaufen sein: Mary Brunner, Susan Atkins und Bobby Beausoleil waren überraschend bei Gary Hinman erschienen und »quatschten über alte Zeiten und lauter so"n Zeug«. Bobby sagte dann zu Gary, er solle sein ganzes Geld hergeben, weil sie es brauchten. Als Gary erwiderte, er habe kein Geld, zog Bobby eine Pistole und schlug mit ihr auf Hinman ein. Bei dem Handgemenge ging die Pistole los; das Geschoß verletzte niemand, sondern prallte ab und flog durch die Küche.

Etwas später tauchten Manson und Bruce Davis in Hinmans Wohnung auf. Erstaunt und verletzt forderte Hinman Charlie auf, die anderen mitzunehmen und wegzugehen; er wolle keinen Ärger, und er verstehe nicht, warum sie das mit ihm machten. Sie seien doch immer Freunde gewesen.

DeCarlo: »Charlie sagte überhaupt nichts. Er schlug ihn einfach mit dem Entermesser. Wamm. Schnitt ein Stück von seinem Ohr -- oder das ganze -- ab. Da ging Gary in die Knie und hatte sich wirklich sehr verändert, so ohne sein Ohr.«

Manson stellte ihn vor die Wahl: alles Geld rausgeben oder sterben. Dann gingen Manson und Davis weg. Hinman beteuerte wiederum, er habe kein Geld. Als weitere Pistolenschläge seine Meinung nicht ändern konnten, rief Bobby in Spahn bei Manson an, und Manson sagte: »Na, ihr wißt, was ihr tun müßt.« Und Beausoleil machte es.

Bobby erzählte DeCarlo, er sei wieder zu Gary raufgegangen: »Zog das Messer und stach ihn damit. Er sagte, er habe es drei- oder viermal getan. (Hinman) blutete und schnappte nach Luft. Bobby kniete sich neben ihn und sagte: »Gary, weißt du was? Es gibt überhaupt keinen Grund, daß du noch weiterlebst. Du bist ein Schwein, und die Gesellschaft braucht dich nicht, also ist es das beste für dich, abzuhauen. und du solltest mir danken, daß ich dich aus deiner Scheiße rausgebracht habe. Dann kamen Geräusche aus Hinmans Kehle, sein letzter röchelnder Atem, und wuff, weg war er.«

Frage: »Bobby hat ihm wirklich gesagt, er sei ein »Pig«?«

Antwort: »Genau. Versteht ihr, der Kampf gegen die Gesellschaft war die vordringlichste Aufgabe in dieser ganzen Sache.«

»Wer wurde da oben noch umgebracht?«

Bevor sie aus dem Haus gingen, schrieben sie an die Wand »white piggy« oder »whitey« oder »kill the piggies«. Beausoleil tauchte auch noch seine Hand in Hinmans Blut und machte mit der flachen Hand einen Tatzenabdruck an die Wand; der Plan war, den »Verdacht auf die Schwarzen Panther zu lenken«, deren Zeichen ein Tatzenabdruck war.

Danny DeCarlo zeichnete das Messer, mit dem Beausoleil Hinman erstochen haben wollte. Es war ein bleistiftdünnes Miniatur-Bowie, mit einem Adler auf dem Griff und mexikanischer Inschrift. Die Zeichnung stimmte mit dem Messer überein, das auf der Spahn-Ranch gefunden worden war.

Die Vernehmer fragten ihn, welche Handfeuerwaffen er in Spahn noch gesehen habe.

Antwort: »Ja, da gab es eine 22er Buntline. Charlie trug sie immer vorn in einem Halfter.« Irgendwann, »etwa im Juli, vielleicht im Juni«, war die Pistole »einfach verschwunden«.

Die Beamten ließen DeCarlo die Buntline zeichnen. Sie war beinahe identisch mit dem Photo des HiStandard-Longhorn-Modells, das im Mordfall Tate verwendet und in dem Rundbrief des Polizeipräsidiums von Los Angeles ausgeschrieben worden war. Später zeigten sie DeCarlo das Rundschreiben und fragten: »Siebt die aus wie der Revolver, von dem du erzählt hast?« Antwort: »Aber genau.«

Die Kriminalbeamten erfuhren auch von DeCarlo, was er über den Mord an dem Schwarzen Panther wußte. Springer hatte zum erstenmal den Mord erwähnt. In der Zwischenzeit hatte die Polizei einige Nachprüfungen angestellt und war auf ein Problem gestoßen: Der Mord war bisher überhaupt nicht gemeldet worden.

Danny DeCarlo berichtete, Tex habe den Burschen beim Stoff-Dealen reingelegt und 2500 Dollar kassiert. Der Panther hatte daraufhin auf der Spahn-Ranch angerufen und gedroht, wenn Tex das nicht in Ordnung bringe, werde er mit seinen Brüdern die ganze Farm leerfegen. Am Abend fuhren Manson und ein Mann namens T. J. zu den Panther nach North Hollywood. Manson verfolgte dabei einen Plan.

Er steckte die Buntline hinten in den Gürtel. Auf ein Zeichen sollte T. J. den Revolver herausreißen, hinter Charlie hervorspringen und auf den Panther losschlagen. Ihn auf der Stelle fertigmachen. Aber T. J. war zu ängstlich, und Manson mußte selber schießen; die Leiche wurde später im Griffith Park begraben.

Frage: »Wer wurde da oben noch umgebracht? Was war mit Shorty?«

Die Vernehmungsbeamten wußten bereits, daß »Shorty« in Wahrheit Donald Jerome Shea hieß und ein 36jähriger Mann war, der auf der Spahn-Ranch 15 Jahre lang als Stallknecht gearbeitet hatte. Kitty Lutesinger hatte ausgesagt, daß Manson, Clem, Bruce und wahrscheinlich Tex in den Mord verwickelt seien und einige Mädchen der Familie geholfen hätten, alle Spuren des Verbrechens zu verwischen. Jetzt wollten die Polizisten von Danny DeCarlo wissen: »Warum haben sie das gemacht?«

Zu viele Geständnisse verwirren die Kripo.

Antwort: »Weil Shorty die Familie bei Spahn verpfiff. Und Charlie mochte keine Verpfeifer.« Die Mädchen kamen, »als wollten sie Cäsar ermorden«, in die Waffenkammer und nahmen ein Messer und vier deutsche Bajonette, die für je einen Dollar in einem Laden für gebrauchte Armeewaren gekauft und dann rasiermesserscharf geschliffen worden waren.

Damit töteten sie Shorty, »sie tranchierten ihn wie eine Weihnachtsgans. Bruce sagte, sie hätten ihn in neun Teile geschnitten. Sie schnitten ihm den Kopf ab. Dann trennten sie ihm auch die Arme ab, damit es keine Möglichkeit mehr gab, ihn zu identifizieren. Darüber lachten sie.

Die Beamten unterbrachen das Verhör, es war etwas dazwischen gekommen: Zwei Kripo-Männer waren vom Frauengefängnis Sybil Brand zurückgekehrt, wo sie endlich mit dem Callgirl Ronnie Howard gesprochen hatten. Obwohl die Atkins-Howard-Gespräche noch viele Fragen unbeantwortet ließen, waren die Detektive jetzt überzeugt, daß der Tate- und der LaBianca-Fall »gelöst« waren.

Bei der Fortsetzung der Vernehmung von Danny DeCarlo ging es nun fast nur noch um den Fall Tate. Die Beamten wollten wissen, warum DeCarlo meine, daß Manson etwas damit zu tun habe.

Antwort: »Eines Nachts zogen sie los, Charlie, Tex und Clem. Die drei.«

Am nächsten Morgen fragte er Clem: »Was habt ihr gestern nacht gemacht?« Clem: »Wir haben fünf Schweine erwischt.«

Manson hatte zu Springer gesagt: »Fünf davon haben wir gerade letzte Nacht umgelegt.« Die Atkins gestand der Howard, daß sie Sharon Tate und Voytek Frykowski erstochen hatte. Beausoleil bedeutete DeCarlo, daß er Hinman erstochen hatte. Atkins erzählte der Howard, sie habe zugestochen.

Plötzlich hatte die Kripo einen solchen Überschuß an Geständigen, daß sie ernsthaft verwirrt war, wer nun eigentlich für welchen Mord verantwortlich war:

* DeCarlo meinte, daß Charlie, Clem und Tex -- ohne Hilfe von einem der Mädchen -- Sharon Tate und die anderen umgebracht hatten. > Laut Ronnie Howard waren Susan Atkins, zwei weitere Mädchen, »Charles« und vielleicht noch ein anderer Mann zum Tate-Haus gefahren.

* Von den LaBianca-Mördern wußte die Polizei nur, daß es »zwei Mädchen und Charlie« gab und Susan Atkins irgendwie auch dazu gehörte. Sie schossen jetzt immer schneller Fragen auf DeCarlo ab. Sprach mal jemand von einem, der ein Boot hatte? Hat mal einer den Namen »LaBianca« gebraucht? DeCarlo verneinte. Was ist mit Brillen, trug in Spahn jemand eine? »Keiner trug eine Brille.«

DeCarlo wurde eine zweiadrige Nylonschnur gezeigt. Hatte er jemals solch eine Schnur auf der Spahn-Farm gesehen? Nein, aber er hatte eine dreiadrige gesehen. Wußte er das genau? Sicher wußte er das genau. Was DeCarlo nicht wußte: Die Tate-Sebring-Schnur war ebenfalls dreiadrig.

Dann die entscheidende Frage: »Bist du bereit, unter Eid auszusagen?«

Antwort: »No, Sir! Ich habe beschissene Angst. Das geht mir bis ins Mark. Manson würde keine Sekunde zögern. Und wenn er zehn Jahre braucht, wird er meinen kleinen Jungen finden und ihn in Stücke schneiden.«

Die Beamten beließen es dabei. DeCarlo hatte noch Zeit genug, seine Meinung zu ändern, Und außerdem hatten sie jetzt Ronnie Howard. Sie ließen Danny laufen. Ein Beamter zog das Fazit: »Ich glaube, wir haben diesmal unser Tagewerk getan.«

Im nächsten Heft

Staatsanwalt Bugliosi greift ein -- Die Polizei stöbert Manson in einem Schrank auf -- Die Geschichte der Manson-Family -- Psychiater Smith: »Nicht Rauschgift, Sex ist der gemeinsame Nenner«

»Erhebt Euch -Tod den Pigs!« (2024)
Top Articles
Latest Posts
Article information

Author: Edmund Hettinger DC

Last Updated:

Views: 5979

Rating: 4.8 / 5 (58 voted)

Reviews: 89% of readers found this page helpful

Author information

Name: Edmund Hettinger DC

Birthday: 1994-08-17

Address: 2033 Gerhold Pine, Port Jocelyn, VA 12101-5654

Phone: +8524399971620

Job: Central Manufacturing Supervisor

Hobby: Jogging, Metalworking, Tai chi, Shopping, Puzzles, Rock climbing, Crocheting

Introduction: My name is Edmund Hettinger DC, I am a adventurous, colorful, gifted, determined, precious, open, colorful person who loves writing and wants to share my knowledge and understanding with you.