Interview mit Astronautin Suzanna Randall - WELT (2024)

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Deutschland ist weltweit Schlusslicht, was Gleichberechtigung im Weltall angeht. Elf Männer hat das Land schon ins All geschickt – aber noch keine Frau. Suzanna Randall möchte die erste sein, eine private Initiative unterstützt sie dabei. Auf der „Better Future“-Konferenz berichtete die Astrophysikerin, was ihre Pläne auf der ISS sind und wie sie es so weit gebracht hat.

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WELT: In wenigen Monaten soll es losgehen. Sind Sie schon aufgeregt?

Suzanna Randall: Natürlich habe ich den letzten Start der SpaceX-Rakete verfolgt und mir vorgestellt, wie es wohl wäre, dort drinzusitzen. Da war ich total aufgeregt. Allerdings ist gerade nicht absehbar, wann genau wir fliegen werden. Wir hatten einen Slot für den Herbst nächsten Jahres. Aber auch wir leiden unter Corona, das uns die Finanzierung sehr schwer macht. Wir stellen uns jetzt eher auf einen Flug 2022 ein.

WELT: Bereits ein anderer Starttermin für dieses Jahr wurde verschoben. Wie kam das?

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Randall: Das ist in der Raumfahrt einfach so. Da braucht man einen langen Atem. In unserem Fall hat die Entwicklung der Trägersysteme etwas länger gedauert. SpaceX, mit denen wir fliegen wollen, hatten in diesem Sommer den ersten astronautischen Test. Das heißt, sie können erst im nächsten Jahr kommerzielle Missionen anbieten. So ist alles nach hinten gerutscht.

WELT: Ihre Mission ist eine besondere: Sie sind nicht für die European Space Agency (Esa) unterwegs, sondern mit einer privaten Initiative. Die hat das Ziel, die erste Frau aus Deutschland ins All zu schicken. Wieso braucht es dafür private Spendengelder?

Randall: Das fragen wir uns bei Die Astronautin auch. Weltweit waren bisher zehn Prozent aller Astronauten weiblich. Vorreiter sind ganz klar die USA. Die haben inzwischen etwa 50 Prozent Frauen. Aus Deutschland wird bald der zwölfte Mann ins All fliegen. Damit sind wir, was die Genderbalance im Weltraum angeht, weltweit das absolute Schlusslicht. Das einzige andere Land, das mehr als zwei Astronauten im Weltall hatte und noch keine Frau, ist Kasachstan. Wenn man in Stereotypen denkt, sollten Frauen sogar die besseren Astronauten sein, im Weltall ist vor allem Kommunikationstalent und Zusammenarbeit gefragt. Außerdem sind Frauen generell kleiner und leichter und somit günstiger in den Weltraum zu befördern. Denn da zählt jedes Gramm.

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WELT: Was genau haben Sie vor im All?

Randall: Wir möchten zu einer Forschungsmission auf die „Internationale Raumstation“ (ISS) fliegen und uns dort wahrscheinlich auf physiologische Experimente zu Frauen in Schwerelosigkeit konzentrieren. Frauenkörper reagieren nun einmal anders als Männerkörper. Das haben wir lange genug ignoriert, zum Beispiel bei den Crashtest-Dummys. Die orientierten sich an Männerkörpern, weshalb Frauen bei Autounfällen bis heute ein viel höheres Risiko haben, schwer verletzt zu werden oder zu sterben, als Männer. Und auch in der Medizin ist der Standard Mensch bisher ein Mann und keine Frau.

WELT: Wie bereiten Sie sich körperlich auf Ihre Mission vor? Haben Sie ein tägliches Fitnesstraining?

Randall: Ein Astronaut muss nicht Superman sein. Ich gehe im Moment, weil die Fitnessstudios geschlossen sind, draußen laufen und Fahrrad fahren. Aber ich laufe nicht jedes Wochenende den Ironman. Es reicht völlig, körperlich normal fit zu sein. Wichtig sind geistige Fähigkeiten: Für Astronauten ist in jedem Fall ein technisches oder ein naturwissenschaftliches Studium gefragt – in meinem Fall Astrophysik – oder auch eine Ausbildung zum Beispiel zur Testpilotin. Und psychisch sollte man natürlich gesund sein, um auch in Stresssituationen die Nerven zu behalten.

WELT: Schwerelos im All, abhängig davon, dass die Technik funktioniert. Macht Ihnen das keine Angst?

Randall: Natürlich habe ich Angst. Aber ich kann meine Ängste gut regulieren. Frauen lassen sich noch viel zu häufig von Ängsten einschränken. Angst allein ist noch kein Grund, etwas nicht zu tun, einen Vortrag nicht zu halten, sich nicht zu überwinden. Erst einmal muss ich mich fragen: Ist die Angst berechtigt? Will sie mich schützen? Oder ist es einfach eine Vorstellung, die mich davon abhält, ans Ziel zu kommen? Natürlich ist es ein Risiko, in den Weltraum zu fliegen. Aber für mich lohnt sich dieses Risiko.

WELT: Sie scheinen überhaupt eine mutige Frau zu sein. Ihre Hobbys sind Gleitschirmfliegen, Bergsteigen und Tauchen. Suchen Sie das Risiko?

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Randall: Nicht das Risiko zieht mich an, sondern das Neue, die Möglichkeit, Grenzen zu überwinden. Als Kind wollte ich Piratin werden. Das war für mich totales Abenteuer. Auch beim Gleitschirmfliegen, Tauchen oder Bergsteigen kann man neue Welten entdecken. Man sieht unser Leben aus einer anderen Perspektive. Das reizt mich.

Interview mit Astronautin Suzanna Randall - WELT (1)

WELT: Können Sie sich erinnern, wann Sie das erste Mal die Idee hatten, Astronautin könnte ein Beruf für Sie sein?

Randall: Astronautin war schon früh unter den Favoriten. Für mich selbst klar formuliert habe ich das Ziel, als ich Sally Ride entdeckte, die erste Amerikanerin im All. Ich bin bilingual aufgewachsen, und mit ihr gab es viele englische Kinderbücher. Da war sie ein Star. Und ich fand sie einfach toll: Die ist cool, die hat Spaß bei dem, was sie tut, und sie ist eine Frau! Das will ich auch. Astronauten inspirieren bis heute Kinder auf der ganzen Welt. Da brauchen wir auch Vorbilder für die kleinen Mädchen in Deutschland.

WELT: Sie sind es dann ganz systematisch angegangen und haben als Studienfach Astrophysik gewählt.

Randall: Astronautin war damals nicht mehr mein Plan A. Dafür gibt es auf der ganzen Welt ja nur furchtbar wenige Stellen. Ich war aber noch immer fasziniert vom Weltall und dem Unbekannten. Als ich dann aber die Anzeige von Die Astronautin gesehen habe, war mir klar: Ich muss mich sofort bewerben.

WELT: Tatsächlich hatten Sie sich zehn Jahre zuvor schon einmal bei der Esa beworben und bekamen eine Absage. Wie sind Sie damals mit der Enttäuschung umgegangen?

Randall: Über die Absage selbst war ich gar nicht so enttäuscht, es gab ja rund 10.000 Bewerber auf eine Stelle. Was mich im Nachhinein beschäftigt hat, war, dass ich mich nicht genug angestrengt hatte. Ich bin in die kognitiven Tests mit der naiven Idee reingegangen, entweder man ist schlau und schafft das oder eben nicht.

WELT: Wie hätten Sie sich denn auf die Tests vorbereiten können?

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Randall: Es gibt Bücher mit Pilotentests und viel Material online. Damit kann man Konzentration, Merkfähigkeit, Kopfrechnen und andere Dinge trainieren und Schulphysik wiederholen. Man würde meinen, als Astrophysikerin kann ich das aus dem Effeff. Aber solche Dinge vergisst man auch wieder, wenn man sie nicht jeden Tag anwendet.

WELT: Dann gibt es sicher auch Persönlichkeitstests.

Randall: Das war dann die zweite Phase. Die habe ich bei Die Astronautin erreicht. Und da haben uns dann tatsächlich Psychologen dabei beobachtet, wie wir Aufgaben in Gruppen lösen. Es ging darum, wie wir als Team kommunizieren, wie wir zusammenarbeiten und ob wir ruhig bleiben können, wenn Aufgaben nicht gelingen. Unter Stress cool zu bleiben, auch das kann man bis zu einem gewissen Grad trainieren, etwa mit Yoga oder Atemübungen.

WELT: Raumstation, das sei ein bisschen wie eine WG mit Leuten, die man sich nicht ausgesucht hat, haben Sie mal gesagt. Das muss man aushalten.

Randall: Klar. Das Schöne ist, dass alle Astronauten, die ich bis jetzt kennengelernt habe, sehr umgänglich sind. Aber die werden eben auch danach ausgesucht, dass sie teamfähig sind und gut kommunizieren.

WELT: Im Hauptberuf arbeiten Sie an der Europäischen Südsternwarte (Eso) am Alma-Teleskop. Laut Website sind im Forscherteam eine ganze Reihe von Frauen aus vielen unterschiedlichen Ländern. Da ist es also gelungen, die weiblichen Talente in den Naturwissenschaften zu finden.

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Randall: Ich muss das ein bisschen relativieren. Wir haben trotzdem noch sehr viel mehr Männer als Frauen. Nicht nur bei den Ingenieuren, sondern auch in meiner Gruppe, der Astronomie, wo der Frauenanteil mit etwa einem Drittel relativ hoch ist. Als europäische Organisation stehen wir aber immer noch besser da als ein normales deutsches Institut. Und das liegt auch daran, dass die Eso sehr genau darauf achtet. Wir bekommen regelmäßig Inklusionstrainings, in denen auch unbewusste Vorurteile thematisiert werden. In jedem Komitee soll eine Frau, besser noch zwei sitzen. Auch bei unseren Einstellungen von Postdoktoranden achten wir auf Balance.

WELT: Mit Ihnen im Duett als erster Astronautin ist Insa Thiele-Eich, selbst Tochter eines Astronauten. Werden Sie am Ende gemeinsam fliegen, oder kann es nur eine schaffen?

Randall: Tatsächlich wird höchstwahrscheinlich nur eine von uns fliegen können, einfach aus finanziellen Gründen. Bei astronautischen Missionen werden ohnehin immer bis ganz zum Schluss zwei Astronauten trainiert. Falls jemand in letzter Sekunde ausfällt, kann der oder die andere einspringen. Wer von uns beiden „Primer“ und wer „Back-up“ ist, wird ein externes Komitee entscheiden.

WELT: Lassen Sie uns gedanklich vorspulen. Sie sind von Ihrer Weltraummission zurück und heil wieder auf der Erde gelandet. Wie wird die Reise Ihr weiteres Leben verändern?

Randall: Ich hoffe auf den berühmten Overview-Effekt. Wenn ich die Welt von außen sehe, bekomme ich hoffentlich einen etwas anderen Blick auch auf die Probleme unserer Gesellschaft hier auf der Erde. Vor allem aber hoffe ich, dass ich Mädchen im ganzen Land zeigen kann: Hey, wir haben privat, mit sehr geringen finanziellen Mitteln, eine Frau in den Weltraum geschickt. Was für ein total verrückter Traum! Aber ich hab’s geschafft. Und deswegen könnt ihr es auch schaffen, eure Träume zu leben!

Interview mit Astronautin Suzanna Randall - WELT (2024)
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Author: Kerri Lueilwitz

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